Am Ende kommen Touristen

Ships that sink

Am Ende kommen Touristen

Ein Morgen im Paradies. Das Hostel liegt im frühen Morgengrauen verlassen hinter uns. Vor uns reihen sich blaudunstige Ahnungen von Inseln auf, wie man sie aus Filmen kennt, von Landschaften, die es nicht gibt. Ein Moment der Ruhe und des stillen Genusses, der schlagartig durch die Ankunft unseres Tagesplans zerstört wird. Wir haben den Sakrileg begangen, eine Tour gebucht, um die Perlen der Thaisee zu entdecken. Weiße Strände, unberührte Natur, ungesehene Sehenswürdigkeiten eines besucherreichen Landes.

Hupend fährt ein umgebauter Laster vor, auf dem möglichst viele der einsamen Backpacker zusammengepfercht transportiert werden können. Stopp an jedem Hotel und die Ankunft an der Bootablegestelle. Eine seltsame Gruppe von drei Frauen und einem „Mann“ führt belustigte Tänze auf. Küsse hier und Küsse da und weiter geht das lustige Schaulaufen. Ein schwuler Hipster mit Sonnenbrand, der es kaum mehr aushält vor lauter Erregung und ungehalten auf und ab springt. Wir werden in eines der Boote verfrachtet, die aufgereiht am Ufer liegen. Natürlich wird uns die taffe Vierergruppe zugewiesen, einige andere schweigende Pärchen, zwei verirrte Piraten, die seltsam verloren und aus der Zeit gefallen wirken und scheinbar nicht wissen, wo sie sind. Sie vermeiden es, dass Schiff zu kapern und schauen schweigend auf die hochspritzende Gischt.

Vor lauter Schönheit schließe ich die Augen und öffne sie erst wieder, als ich keine springenden Wellenberge unter mir spüre. Und erstarre schließlich vor all der ungesehenen Einsamkeit und Verlassenheit der angepriesenen Thaiperlen. Eine seltsame Kette dunkler Schatten reiht sich vor mir auf und stapft schwer atmend durch das hüfthohe Wasser. Es scheint wie eine riesige Ansammlung verwirrter Krabben, die ziellos durch das Meer oder über den Strand irren. Massenansammlung von Pilgern, die noch keinen Gott gefunden haben, aber sicher sind, dass er hier auf sie wartet. Hier also sind sie, all die Einsamkeit suchenden Urlauber. Dutzende, Hunderte, Tausende.

Ich verlasse das Boot und verschaffe mir einen Überblick: Menschen gehen von einer Insel zur nächsten, weil ihnen jemand gesagt hat, es sei schön, wunderschön. Frauen posen wild gestikulierend vor geilen Männern mit engen Badehosen und großen Rohren. Die Strände sind ihr Laufsteg und bilden einen höchstinteressanten Ausstellungsraum für die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der plastischen Chirurgie. Gefallene und verbrannte Engel haben ihr Federkleid abgelegt und präsentieren sich als verbannte Eva. Männer schauen stolz auf ihr gut angelegtes Vermögen, verharren in minutenlanger speicheltropfender Andacht und entblößen die Resultate der letzen großen Fressen. Mittellose coole Jungen hoffen auf nächtliche Abenteuer mit gelangweilten Models / Ehefrauen.

Ich stehe im Wasser. Lustig und selbstvergessen schwimmt ein benutztes Kondom an mir vorbei, das nur allzu auskunftsbereit von den Erlebnissen seiner letzten Nacht berichtet. Einige Meter weiter finde ich das Heiligtum der Insel. Auf einem Schild steht etwas vom Schutzgott der Fischer und Seeleute, doch im Inneren der Höhle zeigt sich die eine Wahrheit. Es ist eine Phallusgrotte, vor der die sehnsüchtigen und überspitzten Einsamen beten. Unzählige geschnitzte Schwänze, die Erlösung versprechen für jeden Gläubigen.

Wieder einmal schließe ich die Augen und wünsche mich zurück nach Krabi, ein Paradies, aus dem wir noch nicht verbannt wurden.


A morning in paradise. The hostel lies desolate in the early break of day behind us. In front of us, foreshadows of islands row up in bluish mist as how you know them from movies, of landscapes that don’t exist. A moment of quietness and of silent pleasure that is rapidly destroyed by the arrival of our day plan. We have committed a sacrilege, booked a tour to discover the pearls of the Thai sea. White beaches, pure nature, unseen sights of a tourist-rich country.

A remodelled pickup truck, which as many lonesome backpackers as possible are supposed to be transported on, is driving up hooting. A stop at every hotel and the arrival at the place where the boat casts off. A strange group of three women and one “man” is performing gleeful dances. Kisses here and kisses there and on it goes, the happy acting. A gay hipster with sunburn who can hardly bear up against all this excitement and jumps up and down unleashed. We are packed onto one of the boats that are lined up along the shore. Of course, the tough 4-men-group is allocated to us, some other silent couples, two straying pirates that appear to be oddly lost and fallen out of time and seemingly don’t know where they are. They avoid capturing the ship and without speaking they observe the sizzling spume.

Overwhelmed by the sheer beauty, I close my eyes not to open them again before I don’t feel the jumping wave movements below me anymore. And awestruck I stand in front of all the unseen loneliness and desertion of the praised Thai pearls. A strange chain of dark shadows is rowing up in front of me and is tramping achingly through the hip-high water. It seems like a huge gathering of confused crabs that are straying through the sea and over the beach without destination. Massive crowds of pilgrims that haven’t found a god yet, however are sure that he is going to wait here for them. So here they are, all those tourists seeking loneliness. Dozens, hundreds, thousands.

I leave the boat and get an overview: People walk from one island to another because somebody told them it would be nice, beautiful. Wildly gesturing women pose in front of horny men with tight swimming shorts and big pipes. The beaches are their catwalk and form a highly suitable exhibition area for the possibilities and impossibilities of plastic surgery. Fallen and burned angels have taken off their feather dress and present themselves as ostracised Eve. Men proudly look at their well-invested fortune, remain in drooling admiration for minutes and unveil the results of the last big eating feast. Stranded cool guys hope for nightly adventures with bored models / wives.

I am standing in the water. A used condom swims by funnily and self-forgotten, one which all too talkative tells about last night’s events. A few meters further I find the island’s sanctuary. On a sign it says something about a patron of the fishers and sailors, but inside the cave the one truth reveals. It’s a phallus grotto in front of which the longing and horny loners pray. Countless carved weeners that promise redemption for everyone who believes.

Once again I close my eyes and wish to be back in Krabi, a paradise from which we haven’t been banished yet.


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