Refrain from Talking in the Rain

Refrain from Talking in the Rain

Man muss sich eingestehen, dass eigentlich wenig passiert, auch beim Reisen. Man verbringt viel Zeit mit Warten. Oder Sitzen. Oder Reden. Man geht durch Straßen und sieht herbstlichen Nebel. Auf der kleinen Brücke, die zu unserer Wohnung führt, dunkles Wasser, das zu lange durch die Stadt geflossen ist und stinkt, und das doch auch Erinnerungen an Meer mit sich bringt. Darüber ein weißer Hauch, wie gefrorener Atem. Nicht mehr. Der Weg nach Hause, der Weg zur Arbeit, dazwischen Menschen in der U-Bahn, Herbstsonne oder erster Winterregen. Aufgespannte Schirme. Hetzende Menschen. Überall geisterhafte Massen.

Danach fühlt es sich seltsam an, zu arbeiten. Ich sitze an einem Tisch und Menschen kommen und bezahlen, um sich mit mir zu unterhalten. Die Stadt erhält eine plötzliche Substanz. Ein junger Mann, der sichtlich erschöpft ist und sich immer wieder dafür entschuldigt, dass sein Englisch nicht besser ist. Er studiert Operngesang und stimmt ein deutsches Lied an, fast akzentfrei. Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch. Zu viele Sprachen. Manchmal redet er Japanisch und ich weiß, dass er es nicht bemerkt. Ein Architekt, der das U-Bahn-Netz für Jakarta entwirft und mir von seiner Freundin erzählt und seinen Plänen. Eine ältere Dame, die etliche Jahre in den USA gelebt hat. Zwei Söhne und eine lange Geschichte. Ich weiß nicht, warum sie mir das alles erzählen, doch finde es spannend. Und auch all die anderen Menschen, die ich durch die Lichter des nächtlichen Tokios gehen sehe, bekommen so ein Gesicht.


You have to admit that actually few things happen, even while travelling. You spend much time waiting. Or sitting. Or talking. You go through streets and see the autumn mist. On the small bridge leading to our flat, dark water that has flowed through the city for too long and stinks, and that still carries memories of the sea with it. A white breeze above, like frozen breath. Not more. The way home, the way to work, meanwhile people in the metro, autumn sun or the first winter rain. Put up umbrellas. Hasty people. Ghostly masses everywhere.

After that, it feels strange to work. I am sitting at a table and people come and pay to chat with me. The city gains a sudden substance. A young man, who is visibly exhausted, apologises for his English not being better. He studies opera singing and intones a German song, almost accent-free. German, English, Italian, French. Too many languages. Sometimes he talks Japanese and I know he doesn’t realise. An architect, who designs the metro infrastructure of Jakarta and tells me about his girlfriend and plans. An elderly lady who has lived in the US for several years. Two sons and a long story. I don’t know why they are telling me all this, however I am excited to hear it. And even all the other people I see walking through Tokyo at night become visible like this.


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